Überarbeitungsanmerkung zu einer Kurzgeschichte. Wie überarbeitet man einen Text?

Anmerkungen von Textzucker und Honeyball. Streamaufzeichnung:

Genre: High-Fantasy - Die Personen sind Drachen - Die Welt ist bekannt, es dreht sich um den “Atlas des Äthers”.

Das Herz des Vulkans

Die Sänfte, getragen von vier Frauen, tänzelte mit ihnen den Bergkamm entlang. Auf dem bunten Teppich, den sie trugen, saß die zierliche Gestalt eines jungen Mädchens, dessen Augen voller Sehnsucht über das Grün der Natur wanderten.

Der Teppich ist hier an dieser Stelle keine wichtige Information. Er wird später beschrieben. Hier erzeugt man jedoch schon ein Bild, das später nur gebrochen werden würde. = “Darauf saß die zierliche Gestalt eines Mädchens.”

Das “tänzeln” der Sänfte beschreibt das Gewackel. Vielleicht ist ein Vergleich eleganter.

“Das Grün der Natur” malt direkt ein Bild der Landschaft - danach geht es aber mit dem Vulkangestein weiter. Vielleicht früher den Namen des Ortes erwähnen und die Bedeutung. - Es ist eine Kurzgeschichte, eine direkte Beschreibung bringt die Lesenden schneller hinein.

Retrospektiv gesehen: Der Vulkan steht im Zentrum der Geschichte und seine Bindung zu den Drachen. Die Magie ist das spannende. Früher erwähnen? Es ist eine Kurzgeschichte!

Die Beschreibung der Landschaft gerne direkt mit den melancholischen Gedanken des Mädchens verbinden, damit wir sofort am Charakter dran sind. Das hat Potenzial für Show don’t Tell. Nimmt sie die Wärme des Abends besonders intensiv wahr, weil es ihr “letzter Moment” sein könnte.

Der Blick in die Täler zwischen dem schwarzen Vulkangestein war klar.

Ist damit die Aussicht beschrieben? Das könnte missverständlich werden.

Warmes Abendlicht tauchte den Sovangar in die Farben des Sonnenuntergangs.

Wenn vorher das Tal des Vulkans als solches inkl. Name benannt wird, kann der Satz umformuliert werden.
”Tauchte die Vulkanlandschaft / die Baumkronen (bringt den Dschungelaspekt ins Spiel)…”

Palmen und andere Laubbäume reckten sich hoch wie Berge in den Himmel, doch sie erreichten den Gipfel nicht.

Manche Menschen wissen gar nicht, wie eine Vulkanlandschaft aussieht, deshalb kann diese Beschreibung verwirrend sein. Wo wachsen die Bäume? Im Tal? Auf dem Berg? Wie groß sind sie? Ist das wichtig? Die Landschaft soll beschrieben werden, sodass sie auch eine unwissende Person versteht. Je nach Region empfinden Menschen schon das Wort Berg völlig anders.

Die Welt erschien klein, fern und die drohende Dunkelheit nagte bereits am Horizont. Tiefes dunkles Blau spiegelte sich im Meer, dass hinter dem lichten Dschungel, nahe des großen Vulkans im letzten Sonnenlicht glitzerte.

Es müsste sich eigentlich auch wärme im Meer spiegeln. Welches Bild ist dem Text dienlicher? Will ich die Wärme des Abends behalten? Oder ist die Kühle spannender für die Szene?

Sanfte Wellen spielten mit dem Sand der Strände. Das Auf und Ab des Ozeans war ungewöhnlich ruhig.

Kann sie das sehen? Vermutlich nicht. Es hat Strände, Wellen lassen sich grob erkennen. Wie könnte eine Insel vielleicht besser beschrieben werden?

Egal wohin Vandrin auch blickte, von hier aus offenbarten sich die Grenzen ihrer Insel und die ihr bekannte Welt schrumpfte in sich zusammen.

Die Sätze müssen gut verknüpft sein, deutlich aus ihrem Blick erzählt, damit wir Vandrin mit “Dem Mädchen” verbinden. Wird durch “ihre Insel” angedeutet, dass sie sich der Insel verbunden fühlt, oder dass ihr diese Insel gehört?

Sie hob den Kopf und meinte sich den Wolken näher als ihrem Reich. Die Spitze des Sovangar Vulkans küsste den Himmel und die junge Frau streckte ihren Arm aus, um ihn selbst zu berühren, doch sie erreichte ihn nicht.

Was behalten wir? Die sich streckenden Bäume oder die Arme des Mädchens? Es beschreibt in etwa das Gleiche. Wir brauchen nur eines davon, um die Höhe zu finden. Achte auf sich wiederholende Bilder, eine Metapher kann in eine Szene führen, wird sie wiederholt, verliert sie ihre Wirkung. Man kann aber auf ihr aufbauen.

Hilfreich dafür ist das laut Vorlesen des Textes, das kann auch via Sprachausgabe von Word geschehen.

So hoch oben und trotzdem blieben ihr die schwach leuchtenden Sterne fern.

Streichen wir das “doch sie erreichte ihn nicht” - weil dieser Satz genau das beschreibt.

Seufzend zog sie die Hand zurück. Neben sich konnte sie ihre Schwester kichern hören. Sie tauschten verstohlene Blicke aus und Vandrin zwinkerte provokant.

Hier braucht es einen Satz mehr, um die unsichtbare Geschichte zwischen den beiden Charakteren zu malen. Wenn es ohne Sprache bleiben soll, braucht es eindeutigere Gesten. Fiktion muss universell verständlich sein. Die Beziehung der Charaktere beachten und nutzen, sie zu verdeutlichen. Potential.

Dieser Moment war vielleicht ihr letzter.

Wessen Moment? Lieber mit Namen arbeiten, damit es wirklich verständlich ist. Wir lesen über Namen hinweg, ohne dass wir das Gefühl von Wortwiederholungen erleben.

Etwas würde sich verändern, ob es gar sie selbst oder nur alles ihr Bekannte war – Vandrin wusste es nicht. Ein letztes Mal dem stämmigen Mädchen, das drei Jahre nach ihr geschlüpft war, die Zunge herausstrecken. Sich ein letztes Mal nach dem Himmel recken. Ein letztes Mal die Luft des Sovangartals schmecken.

Braucht es diese Aufzählung, wenn ja, dann beachten, dass das mit der Zunge nicht passiert ist.

Die junge Frau mit der warmbraunen Haut, den langen schwarzen Locken und den wachen Augen, so finster wie das Gestein des Vulkans wurde auf einer Sänfte getragen.

Perspektivbruch. Wir würden davon ausgehen, Vandrin beschreibt ihre Schwester. Die Beschreibung kommt auch sehr spät. Das ließe sich mit dem Beginn verflechten. Kein “Guck mal, so sehe ich aus!”

Das mit der Sänfte wissen wir schon… das muss verknüpft werden mit dem nächsten Satz >

Dieser Teppich war von ihr und ihren Vertrauten selbst geknüpft worden.

Wiederholung der Sänfte ist sinnig, aber eben mit näherer Beschreibung.

Seit dem Tag ihres Schlüpfens sammelten sie dafür die Pflanzen der Arr-Riebe, um die Fasern zu färben und Vandrins ganz persönliche Geschichte in einem Knüpfwerk zu verewigen. Das sie auf den Berg zu ihrem Schicksal tragen würde.

Vergangeneitsform beachten. Sie hatten sie gesammelt. Und die Arr-Riebe IST die Pflanze, es sind nicht die Pflanzen der Arr-Riebe. Sind es die Samen? Die Triebe? Woher kommen die Fasern? “Hatten sie die Fasern der Arr-Riebe gesammelt, um sie zu färben…”

Ist das so ein krasser Teppich, der sie trägt? Oder liegt der Teppich auf der Sänfte? Das muss beschrieben werden.

Dieser besondere Tag war heute und getragen wurde sie von ihren beiden jüngeren Schwestern und ihren zwei besten Freundinnen. Barfuß und in den weißen Gewändern, ganz nach Tradition.

Hier erfahren wir etwas mehr über das Setting. Wäre das nicht früher möglich? Wie hat man sich die Szene vorzustellen? Laufen die im Anzug rum? Setting der Welt, der Kleidung.

Welche der beiden Schwestern hatte Vandrin gemeint? Bessere Zuordnung.